Infos zur Plenartagung

Diese Woche im Europäischen Parlament in Straßburg begann etwas anders als sonst, nachdem schwere, unfassbare Korruptionsvorwürfe der Vizepräsidentin Eva Kaili am vergangenen Freitag bekannt gemacht wurden. Das Parlament hat sofort reagiert und Frau Kaili, die eine von 14 Vizepräsidenten ist, von ihrem Amt abgesetzt.

Die Präsidentin des Parlaments Roberta Metsola (EVP) hat die Stimmung und Sachlage in ihrer eindringlichen Rede auf den Punkt gebracht: „Das Europäische Parlament, liebe Kolleginnen und Kollegen, wird angegriffen, die europäische Demokratie wird angegriffen, und unsere Art der offenen, freien, demokratischen Gesellschaften wird angegriffen.“ Sie hat eine lückenlose Aufklärung der Vorwürfe versprochen und angesichts der Enthüllungen sprach sie von Wut, Zorn und Kummer.

Auch der Vorsitzende unserer deutschen CDU/CSU-Gruppe Daniel Caspary fand deutliche Worte und ging auf die nun notwendigen Veränderungen ein: „Der Fall Kaili zeigt deutlich die Schwachstellen der derzeitigen Regeln für Nichtregierungsorganisationen. Die Finanzierung und die Finanzstrukturen von NGOs müssen viel transparenter werden. Wir fordern, dass künftig auch NGOs offenlegen wie und woher sie finanziert werden und welche Auftraggeber dahinterstehen. Dass mutmaßlich als Menschrechtsorganisationen getarnte Nichtregierungsorganisationen gegen Geld offensiv die Interessen von autoritären Drittstaaten vertreten, die wiederum selbst Menschenrechte mit Füßen treten, macht fassungslos. Es ist bedauerlich, dass ausgerechnet auch Sozialdemokraten vor einigen Jahren unsere Initiativen im Parlament gestoppt haben, die Finanzierung von NGOs stärker zu thematisieren und transparenter zu machen. Wir fordern stärkere Mechanismen zur Korruptionsbekämpfung innerhalb des Europaparlamentes. Dazu gehören auch schnelle und abschreckende Strafen für jeden ausländischen Akteur, der sich im laufenden Fall schuldig gemacht hat. Zudem fordern wir die Einsetzung eines Sonderausschusses, um die Versäumnisse aufzuarbeiten.“

Auf der Tagesordnung steht in der letzten Plenartagung vor dem Jahreswechsel u.a. die Debatte über die europäische Antwort auf den US Inflation Reduction Act und die Teilrevision der Erneuerbaren-Energien-Richtlinie. Zudem verleihen wir den Sacharow-Preis an das ukrainische Volk und wir diskutieren über den bevorstehenden EU-Gipfel vom 15./16. Dezember 2022.

Die Antwort der EU auf den US Inflation Reduction Act

Der amerikanische „Inflation Reduction Act“ (IRA) ist ein gigantisches Subventionsprogramm für grüne und klimafreundliche Technologien. Die Vereinigten Staaten versuchen damit, innovative Unternehmen aus anderen Teilen der Welt anzulocken, vielfach aus Sektoren, in denen europäische Unternehmen führend sind. Zusammen mit den hohen Energiepreisen kann dies Unternehmen dazu verleiten, Investitionen künftig in den USA statt Europa zu tätigen. Europa braucht eine geschlossene Antwort auf dieses Paket aus Subventionen und protektionistischen Maßnahmen der USA. Die Antwort auf den IRA kann aber nicht sein, dass wir einen weiteren europäischen Schuldentopf auflegen oder selbst protektionistische Maßnahmen „à la Europe first“ beschließen. Vielmehr müssen wir ein Wachstumsumfeld für unsere Unternehmen in Europa schaffen. Dazu gehören einerseits der Abbau von belastenden Regulierungen sowie andererseits finanziell besser ausgestattete Programme auf EU-Ebene. Die Forderung der CDU/CSU lautet: Wir brauchen einen Richtungswechsel in der europäischen Industriepolitik – weg von Verboten und Auflagen und hin zur finanziellen Unterstützung von Innovationen.

Teilrevision der Erneuerbaren-Energien-Richtlinie: Energie aus erneuerbaren Quellen, Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden und Richtlinien zur Energieeffizienz

Wir wollen energiepolitisch nachhaltiger und unabhängiger werden, doch der Ausbau der erneuerbaren Energien leidet zu oft an langsamen Genehmigungsverfahren. Nun wird das Parlament mit der geplanten Teilrevision der Erneuerbaren-Energien-Richtlinie eine wichtige Hürde nehmen, damit der Ausbau in Europa zukünftig schneller geht. Die Revision hat das Ziel Genehmigungsverfahren zu beschleunigen. Nur wenn wir einen Zahn zulegen, kann die Energiewende in Europa gelingen.

Dazu wollen wir als CDU/CSU Gruppe, das sogenannte Beschleunigungszonen für den Ausbau der Erneuerbaren Energien greifen. Das bedeutet, dass zukünftig das „Prinzip der positiven Stille“ gelten soll. Wenn die zuständige Verwaltungsbehörde nicht innerhalb der ihr gesetzten Frist antwortet, gelten die Genehmigung oder der Antrag als genehmigt. Somit können Schnellgenehmigungen in neun Monaten möglich werden. Die bei solchen Projekten notwendigen Umweltverträglichkeitsprüfungen sollen für das gesamte Beschleunigungsgebiet durchgeführt werden, nicht mehr nur projektspezifisch. Damit schaffen wir endlich mehr Geschwindigkeit. Wir werden versuchen, die EU-Mitgliedstaaten ebenfalls davon zu überzeugen.

Verleihung des Sacharow-Preises für geistige Freiheit

Mit der feierlichen Verleihung des Sacharow-Preises für geistige Freiheit erkennen wir die Leistung des ukrainischen Volkes für unsere universellen und europäischen Werte an. Die Bürger der Ukraine kämpfen gegen den Vernichtungswillen des Putin-Regimes für ihre Zukunft als Volk, als Nation und als Europäer. Sie kämpfen auch für uns, um den russischen Imperialismus zu stoppen und ein friedliches Zusammenleben unter den Völkern Europas wieder zu sichern. Das Europäische Parlament würdigt die besondere Rolle von Präsident Selenskyj und von anderen gewählten Repräsentanten, wie etwa Bürgermeistern, sowie der Zivilgesellschaft. Sie alle erfüllen mutig ihre Aufgaben und führen ihre Mitbürger aus Leid und Verzweiflung hin zu gegenseitiger Solidarität und Widerstand gegen die Barbarei der russischen Aggressoren, Kriegsverbrecher und Besatzer. Wir müssen uns alle anstrengen und noch mehr Hilfe und Unterstützung leisten für den Kampf der Ukrainerinnen und Ukrainer um Freiheit und Menschlichkeit. Der Sacharow-Preis für geistige Freiheit wird jedes Jahr vom Europäischen Parlament verliehen. Der Präsident des Parlaments wählt gemeinsam mit den Fraktionsvorsitzenden den endgültigen Preisträger aus. Nominiert waren in diesem Jahr neben dem ukrainischen Volk auch Julian Assange sowie die kolumbianische Wahrheitskommission. Der mit 50.000 Euro dotierte Preis wird am 14. Dezember im Rahmen einer Zeremonie im Plenarsaal des Parlaments verliehen. Die Auszeichnung wurde 1988 ins Leben gerufen, um Einzelpersonen und Organisationen zu ehren, die Menschenrechte und Grundfreiheiten verteidigen und ist nach dem sowjetischen Physiker und politischen Dissidenten Andrej Sacharow benannt.

Vorschau auf den EU-Gipfel vom 15./16. Dezember 2022

Ungarn blockierte bis zuletzt wichtige Hilfsgelder für die Ukraine, um die EU-Staaten zu zwingen, über Rechtsstaatsverstöße hinwegzusehen und so eingefrorene Haushaltsmittel für Budapest freizupressen. Ungarns Erpressung der EU ist inakzeptabel. Die Leidtragenden sind die Menschen in der Ukraine, die Europas Unterstützung in diesem kalten Winter dringender denn je brauchen. Die Blockade muss jetzt so rasch wie möglich aufgelöst werden. Eine erneute Überprüfung der Anti-Korruptionsmaßnahmen, wie sie die EU-Kommission durchführen soll, darf Viktor Orban aber nicht in die Hände spielen. Wir als CDU/CSU-Gruppe fordern die Bundesregierung auf, keine faulen Kompromisse einzugehen. Zu viel Nachsicht mit Ungarn steht im harten Widerspruch zur Position der Kollegen der Ampel-Parteien, die in Sachen Rechtsstaatlichkeit stets am lautesten unterwegs sind.

In puncto Rechtsstaatlichkeit darf es keinen Rabatt für Ungarn geben. Unsere Werte sind nicht verhandelbar. Wir stehen zu hundert Prozent hinter der Entscheidung der EU-Kommission, die Milliarden-Finanzhilfe für Ungarn bis auf Weiteres einzufrieren. Die EU-Gelder für die Ukraine müssen so schnell wie möglich fließen. Außerdem müssen die Staats- und Regierungschefs weiter an der Sanktionsspirale für Russland drehen. Wir stehen hinter dem Vorschlag der EU-Kommission diejenigen zu sanktionieren, die für die Raketenangriffe auf die Ukraine sowie den Diebstahl von ukrainischem Getreide verantwortlich sind.

Auch mit dem Thema Energie wird sich der EU-Gipfel wieder beschäftigen. Unabhängig von allen diskutierten kurzfristigen Lösungen wie dem nun beschlossenen Preisdeckel für Öl zeigt die jetzige Situation, wie viel energiepolitisch in Europa in den letzten Jahren versäumt wurde. Europa braucht endlich einen echten Energiebinnenmarkt, mit den entsprechenden Investitionen in die Infrastruktur. Wir brauchen mehr Interkonnektoren zwischen den Mitgliedstaaten, um die Preise niedrig und Unternehmen wettbewerbsfähig zu halten.

Ein Jahr, das von uns allen in Deutschland, Europa und der gesamten Welt, aber insbesondere von den Menschen in der Ukraine besonders viel abverlangt hat, liegt nun fast hinter uns.

Ich wünsche ein gesegnetes Weihnachtsfest gemeinsam mit Familie und Freunden und einen guten Start in ein gesundes neues Jahr, das uns hoffentlich Frieden und Freiheit für die Ukraine bringt!