Diese Woche beschließen wir bei der Plenartagung des Europäischen Parlaments u.a. über den digitalen europäischen Impfpass und das Handels- und Kooperationsabkommen zwischen der EU und Großbritannien. Überdies diskutieren wir über den Türkeibesuch, den so genannten „Sofagate-Skandal“, und die Beziehungen zu Russland.
Digitaler europäischer Impfpass
Mit den digitalen Impfnachweisen wollen wir die Reisefreiheit innerhalb der EU in Zeiten von Corona erheblich erleichtern. Jede Person, die geimpft ist oder eine COVID-19-Erkrankung überstanden hat, bekommt damit einen in ganz Europa akzeptierten Nachweis. Diese ist generell digital, aber auch auf Papier erhältlich.
Das wesentliche Ziel ist die Vergleichbarkeit und gegenseitige Anerkennung der Impfungen in den 27 EU-Mitgliedstaaten. Dies könnte Reisenden eine Quarantänepflicht ersparen. Allerdings soll so ein Impfzertifikat unter keinen Umständen eine Voraussetzung für Reisen innerhalb der EU sein, sondern es sollen Grenzübertritte lediglich erleichtert werden.
Als eine der europäischen Grundfreiheiten ist uns als CDU/CSU-Gruppe die Reisefreiheit eine der wichtigsten Errungenschaften der Europäischen Union. Ein neuer Impfpass, der auch digital abrufbar ist, war unabhängig von der Corona-Pandemie ohnehin für Anfang 2022 zum Start der elektronischen Patientenakte vorgesehen. Wir haben uns deshalb erfolgreich dafür eingesetzt, dass das Gesetzgebungsverfahren enorm beschleunigt wurde, damit der neue Nachweis rechtzeitig zur Urlaubssaison in diesem Sommer eingeführt werden kann.
Gerade wenn zunehmend mehr und mehr Bürgerinnen und Bürger geimpft sind, wird der digitale Nachweis Schritte zurück in die Normalität erleichtern.
Handels- und Kooperationsabkommen – EU/GB
Es ist das richtige Signal, das Handels- und Kooperationsabkommen zwischen der EU und Großbritannien im Plenum nun endgültig zu beschließen. In den letzten Wochen hat das Europäische Parlament den Text unter Beteiligung sämtlicher Fachausschüsse detailliert überprüft.
Das Abkommen ist fair und ausgewogen. Es bietet eine solide und rechtlich stabile Grundlage für unsere neue Partnerschaft. Ohne Zustimmung zum vorliegenden Abkommen käme es nach Ablauf der derzeitigen Übergangsphase am 1. Mai zu einem harten Brexit. Daher rechnen wir damit, dass eine große Mehrheit dem Handels- und Kooperationsabkommen zustimmen wird.
Bedauerlicherweise leistet die britische Regierung noch immer zu wenig, um das Austrittsabkommen sowie das Protokoll zu Irland und Nordirland vollständig umzusetzen. Dies gilt weiterhin als ein Lackmustest für unsere neue Partnerschaft. Die aktuellen Herausforderungen müssen in den bestehenden Rechtsrahmen im Dialog gelöst werden. Die EU und das Vereinigte Königreich sind wichtige Partner, die auf eine gute Zusammenarbeit angewiesen sind.
Türkeibesuch – „Sofagate-Skandal“
Wir haben uns als EVP-Fraktion, zu der aus Deutschland CDU und CSU gehören, dafür eingesetzt, eine Plenardebatte zu dem als „Sofagate“ bekannt gewordenen „Protokoll-Vorfall“ in Ankara zu führen. Hintergrund war, dass im Rahmen eines Türkeibesuchs der EU-Spitzen nur für EU-Ratspräsident Charles Michel ein Stuhl neben dem türkischen Präsidenten Erdogan zur Verfügung stand, die formell gleichrangige EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen jedoch auf dem Sofa Platz nehmen musste.
Der Vorfall zeigt, dass die Henry Kissinger zugeschriebene Frage „Wen rufe ich denn an, wenn ich Europa anrufen will?“ noch immer nicht zufriedenstellend beantwortet ist. Solche Protokollstreitigkeiten tragen dazu bei, dass Europa sein volles außenpolitisches Gewicht nicht einsetzen kann. Deshalb muss Ratspräsident Charles Michel sein „wenig Gentleman-haftes Verhalten“ diese Woche im Parlament erklären.
Nach Auffassung von uns als CDU/CSU-Gruppe ist es gerade gegenüber der Türkei und ihrem autoritären Herrscher Erdogan wichtig, als EU geschlossen und stark aufzutreten. Im Hinblick auf die Türkei gibt es genug sensible Themen, die eine entschlossene EU erfordern: Migration, Menschenrechte, politische Gefangene in der Türkei, Zollunion, Zypern oder ständige Provokationen der Türkei im östlichen Mittelmeer gegenüber Griechenland sind Themen, die größter Aufmerksamkeit bedürfen. Stattdessen wurde der Besuch leider von der „Sofagate“-Diskussion überlagert.
Beziehungen zu Russland
Russland hat bis zu 25.000 Soldaten in der Nähe der ukrainischen Grenze zusammengezogen. Allein in diesem Jahr sind 26 ukrainische Soldaten getötet worden. Die Situation verschlechtert sich und ist eine ernste wie wachsende Bedrohung für die europäische Sicherheitsordnung und für die ukrainische Souveränität. Mit der Annexion der Krim 2014 haben wir genau dieses Szenario schon einmal erlebt.
Wir erwarten von Russland, dass es jetzt deeskaliert. Dies gilt auch für den Umgang mit Kreml-Kritiker Alexey Nawalny. Russland muss als Mitglied des Europarates Nawalny eine menschenwürdige Behandlung gewährleisten.
Wir setzen weiterhin auf Dialog und wollen für alle bestehenden Gesprächsformate die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE) in Wien nutzen. Bleibt Moskau uneinsichtig, dürfen Sanktionen aber kein Tabu sein. Das Einfrieren weiterer Oligarchenkonten oder sogar ein Ausschluss Russlands vom internationalen Bezahlsystem Swift wären im Extremfall denkbar.