Heute übernimmt die Bundesrepublik Deutschland für ein halbes Jahr die EU-Ratspräsidentschaft. Nicht nur durch die Corona-Krise ist dies mit extrem hohen Erwartungen verbunden. Als Europas größte Volkswirtschaft und bevölkerungsreichstes Land mit einer erfahrenen Kanzlerin hoffen viele Partner, dass Deutschland Kompromisse bei Themen findet, die schon seit Jahren im Rat blockiert sind. Auch die Brexitverhandlungen müssen vorangebracht werden. Gleichzeitig soll Deutschland aber auch die Europäische Union aus den wirtschaftlichen Konsequenzen der Pandemie führen und den Mehrjährigen Finanzrahmen auf den Weg bringen.
Somit ist der Druck auf Deutschland und die Kanzlerin groß und wahrscheinlich wird nicht alles erreicht werden können. Es gilt daher, Prioritäten zu setzen. Als erstes müssen natürlich die finanziellen und wirtschaftlichen Weichen für einen klaren Plan aus der Krise gestellt werden. Zweitens muss die Digitalisierung schnellstens konzeptionell vorangebracht werden. Drittens gilt es, die Migrationsfragen endlich zu lösen, auch wenn dies keine Einstimmigkeit findet. Es kann nicht sein, dass jeder Vorstoß zu einer europäischen Lösung – sei es bei den Themen Migration, Digitalisierung oder Finanzen – von Kommission und Europäischem Parlament getragen wird, aber dann an den Befindlichkeiten einiger weniger Mitgliedstaaten scheitert. Hier müsste man projektbasiert vorgehen. Mehrheitsentscheidungen (statt Einstimmigkeit) sind im Rat zur Lösung europäischer Probleme, vor allem in der Außenpolitik, dringend notwendig.